Trucks

Delphine Maury
2023-06-05
Driver’s World
Author
Delphine Maury
Senior Market Analyst, at Group Truck Technology

So gewinnt und hält man Fahrer: drei Wege

Der weltweite Mangel an Berufskraftfahrern entwickelt sich zu einem immer grösseren Problem, das die gesamte Transportbranche betrifft. Aber es gibt Möglichkeiten für Arbeitgeber Fahrer nicht nur zu gewinnen, sondern sie auch zu motivieren. Was sind die Hauptprioritäten der Fahrer und wie kann das Wissen darüber Ihrem täglichen Flottenbetrieb zugutekommen?
 

Laut IRU*-Jahresbericht Fahrerbefragung aus dem Jahr 2022 blieben im Jahr 2021 über 2,6 Millionen Lkw-Fahrerstellen unbesetzt – trotz allgemeiner Lohnsteigerungen und einem grossen Angebot an Arbeitskräften. Der Grund hierfür liegt dem Bericht zufolge in einem allgemeinen Problem: Zum einen ist es schwierig, junge Menschen für den Fahrerberuf zu begeistern. Zum anderen gibt es gleichzeitig sehr viele ältere Fahrer, die demnächst in den Ruhestand wechseln. Dies betrifft nicht nur Verkehrsbetriebe und deren Dienstleistungen. Die Folgen sind in allen Lieferketten zu beobachten und wirken sich letztendlich auf Unternehmen und Verbraucher auf der ganzen Welt aus.
 

Für Fahrer gibt es unterschiedliche Gründe, einem Arbeitgeber treu zu bleiben und ihren Beruf gerne auszuüben. Volvo führte im Jahr 2019 ein Meinungsforschungsumfrage auf der Basis von 151 Interviews hauptsächlich mit Langstreckenfahrern aus 16 Nationalitäten** zum Thema internationaler Transport durch. Darin nannten Fahrer die Kategorien Komfort, Platz im Fahrerhaus sowie Sicherheit als die drei wichtigsten Kriterien. Die Studie zeigt auch ein zunehmendes Gesundheitsbewusstsein vor allem bei jüngeren Fahrern sowie ein wachsendes Interesse an umweltfreundlichen Antrieben.
 

„Komfort, Platz und Sicherheit haben seit vielen Jahren die gleichen Prioritäten, daher sind diese grundlegenden Anforderungen definitiv von dauerhafter Bedeutung. Ebenso lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Fahrtdauer und dem Grad der Zufriedenheit mit bestimmten Marken erkennen. „Je mehr Zeit Sie in Ihrem Lkw verbringen, desto wichtiger sind Platz und Sicherheit“, sagt Delphine Maury, Senior Product Intelligence Analyst bei Volvo Group Truck Technology (GTT).

Die Prioritäten von Fahrern können je nach deren Nationalität variieren, aber auch in Abhängigkeit von den befahrenen Ländern und Strecken. Nicht alle Fahrer haben die Möglichkeit, für sichere Rastplätze zu bezahlen, fügt Delphine Maury hinzu.
 

Was motiviert einen Lkw-Fahrer?

FAHRERKOMFORT: Der Umfrage zufolge bezieht sich der Fahrerkomfort hauptsächlich auf die als sehr wichtig erachteten Schlaf- und Rastgelegenheiten sowie den Sitzkomfort des Fahrers. Auf die Frage, was sie sich neben dem grundlegenden Komfort des Fahrersitzes am meisten wünschen, nannten über 58 % ein grösseres Platzangebot für Ruhe- und Entspannungszeiten.

PLATZANGEBOT IM FAHRERHAUS: Geräumigkeit im Fahrerhaus ist unerlässlich. 72 % aller befragten Fahrer stuften dies als sehr wichtig ein. Dabei kommt es buchstäblich auf jeden Zentimeter mehr an. Für Fahrer im Fernverkehr ist das Gefühl von Platz und Raum sogar noch wichtiger.

SICHERHEIT: Der Sicherheitsaspekt bezieht sich sowohl auf Sicherheit des Lkw als auch die der Fahrer. Hier stehen drei wichtige Merkmale ganz oben auf der Wunschliste: Warnung vor Kraftstoffdiebstahl, Alarm bei Gasangriffen sowie ein zusätzliches Sicherheitsschloss zur Verriegelung des Fahrerhauses von innen. Im Hinblick auf die Fahrersicherheit gaben 62 % der Fahrer in einer aktuellen (2022) internen Online-Studie** von Volvo an, dass sie grossen Wert auf Assistenzsysteme legen, z. B. Spurhalteassistent, Spurwechselassistent, Bremsassistent. Die zweite Prioriät im Bereich Fahrersicherheit bezieht sich auf verschiedene Alarmierungsarten, z. B. Einschlafschutz und Vorkehrungen gegen Übergriffe und Diebstahl (55 %).

Interne Untersuchungen aus dem Jahr 2021 mit Befragten in den Sprachen Englisch, Deutsch, Französisch und Schwedisch kommen zu dem Schluss, dass sich Transportunternehmen sowohl auf aktuelle als auch auf neue Fahrer konzentrieren müssen, um das Problem des Fahrermangels anzugehen.

Neue Fahrer wurden durch niedrige Einstiegsvoraussetzungen zum Beruf hingezogen, und für 36 % von ihnen steht das Gehalt an erster Stelle, gefolgt von Training (16 %) und Reisen (11 %). Bei routinierten Fahrern nennen 42 % das Gehalt als Hauptmotivator, gefolgt von Autonomie, der Freiheit, unterwegs zu sein (19 %), und einem geschätzten Arbeitgeber (16 %) als wertvoller.

Es gibt auch deutliche Hinweise darauf, was die Fahrer demotiviert. Für 49 % der neuen Fahrer ist die Unsicherheit, eine Stelle zu finden, ein grosses Problem, obwohl Transportunternehmen einen hohen Bedarf an ihrer Kompetenz haben. Hier besteht für Transportunternehmen die Möglichkeit, frühzeitig mit einem positiven Onboarding-Prozess zu beginnen, um eine langfristige Beziehung zu ihren potenziellen Fahrern zu sichern. Die neuen Fahrer hatten Sorge, eine Stelle zu finden. Nach der Anstellung hatten sie aber auch das Gefühl, direkt nach ihrer Ausbildung schlecht auf die Anforderungen des Berufs nach vorbereitet zu sein. Der starke Druck seitens eines Arbeitgebers, schnell vollen Einsatz zu bringen, gepaart mit Unsicherheiten beim Manövrieren eines Lkws im dichten Verkehr und der Angst vor Unfällen sorgten für Stress und der Überlegung, nach kurzer Zeit zu kündigen.

Für routinierte Fahrer haben Arbeitgeber und Arbeitsbedingungen einen grossen Einfluss auf ihre Arbeit. Eine schlecht Behandlung durch den Arbeitgeber führt dazu, dass Fahrer den Beruf in einem schlechteren Licht sehen. Zu den Arbeitsbedingungen gehörten hoher Druck, Stress und Unfallgefahr, die allesamt als Gründe für eine Kündigung oder einen Jobwechsel angesehen werden.

Wie man Fahrer gewinnen und halten kann

Es gibt mehrere Einlussfaktoren für die Fahrerzufriedenheit: Sie hängen sowohl von der Erfahrung der Fahrer ab als auch von der Art und Länge ihrer Arbeit. Laut Delphine Maury lassen sich einige allgemeine Empfehlungen formulieren.

1. Kommunikation und Proaktivität. Der Dialog und die Interaktion mit Ihren Fahrern sind der wichtigste Aspekt.  „Fahrer sind oftmals gerne bereit, Feedback zu geben und sich einzubringen. Die Wertschätzung für das Feedback von Fahrern ist von grösster Bedeutung, denn es vermittelt ihnen das Gefühl, gehört und wertgeschätzt zu werden. Das gilt vor allem im Hinblick auf die Art von Schwierigkeiten und Herausforderungen, mit denen sie während ihres Arbeitstages konfrontiert sind“, so Delphine Maury.

2. Auswahl und Ausstattung des Fahrzeugs. Ratschläge und Empfehlungen der Fahrer hinsichtlich der Anforderungen an die Merkmale des Fahrzeugs und der allgemeinen Herstellerentscheidungen sind von entscheidender Bedeutung. Achten Sie darauf, was möglicherweise fehlt, und machen Sie konstruktive Vorschläge, wann und warum Fahrervorschläge erfüllt werden können oder nicht.

3. Prämien und Anreize. Anreize sind ein Schlüssel. Wenn es beispielsweise um den Kraftstoff- oder Batterieverbrauch geht, haben die meisten Transportunternehmen hohe Ziele und Ambitionen. „Dagegen kommen Anreize und positives Feedback allgemein zu kurz. „Fahrer werden häufiger kritisiert, wenn sie ihre Ziele nicht erreichen. Umgekehrt aber fehlt ein Lob, wenn sie ihre Ziele weiterhin erreichen oder übertreffen“, sagt Delphine Maury. 

Ihre Fahrer sind Ihr Markenimage. Denn sie verkörpern Tag für Tag Ihr Unternehmen bei Ihren Kunden. Letztendlich tragen die besten Fahrer zu Ihrer gesamten Geschäftsentwicklung bei. Aber es ist für sie genauso wichtig, dass sie wissen, was sie erwartet.

Warum es wichtig ist, Fahrerwünsche zu berücksichtigen

Der erste und wichtigste Aspekt ist der weiter zunehmende Mangel an Fahrern. Über Wünsche und Probleme der Fahrer hinweg zu gehen bedeutet nicht nur Druck für die Fahrer – es kann sich auch schädlich auf potenzielle Kunden auswirken. Dies kann zu Planungsschwierigkeiten und letztendlich zu Kosteneinbussen führen.

Laut Delphine Maury gibt es mehrere weitere Anreize, die Ihnen helfen, die besten Fahrer zu halten. Dabei geht es um die Loyalität derjenigen Fahrer, die konstant gute Leistungen liefern, sich Mühe geben und dadurch für Ihre Kunden ebenso zuverlässige wie sichere Partner sind. Bestimmte Fahrten sind anspruchsvoller als andere, und Kunden bevorzugen möglicherweise einige Fahrer gegenüber anderen.

„Ihre Fahrer sind Ihr Markenimage. Denn sie verkörpern Tag für Tag Ihr Unternehmen bei Ihren Kunden. Letztendlich tragen die besten Fahrer zu Ihrer gesamten Geschäftsentwicklung bei. Aber es ist für sie genauso wichtig, dass sie wissen, was sie erwartet. Bieten Sie dem Fahrer Orientierung und geben Sie ihm die Chance, sich zu verbessern“, empfiehlt Delphine Maury.
 

Wenn Sie die wichtigsten Wünsche der Fahrer berücksichtigen, können Sie Fahrermangel verhindern

Wenn Fahrer nach dem Hauptmerkmal oder dem grössten Mangels ihres Lkw gefragt werden, fällt sehr oft das Wort „Komfort“***. Er hat verschiedene Facetten, nämlich Fahrkomfort (Sitz, Position), Bedienkomfort (Lenken, Schalten) und Aufenthaltskomfort (Schlafkoje, Stauraum). Diese Aspekte erreichen derzeit nicht die höchsten Zufriedenheitswerte bei Fahrern: Die wichtigsten genannten Beanstandungen betreffen den Zugang zum Fahrerhaus, die Sicht und die Sicherheit.

Sicherheit wird von Fahrern als das Hauptthema angesehen, das ihre Berufstätigkeit in Zukunft beeinflussen wird. Dieses Thema hat verschiedene Ausprägungen, beispielsweise Fahrersicherheit und Fahrzeugsicherheit: Für Fahrer im internationalen Verkehr sind offenbar einige Aspekte wichtiger, etwa ihre persönliche Sicherheit.
 

„Um diese Problemstellen anzugehen, die in Studien immer wieder auftauchen, ist es wichtig, einen kontinuierlichen Dialog mit Ihren Fahrern zu führen. Feedback, Proaktivität und Fahrererwartungen dürfen nicht unterschätzt werden“, erläutert Delphine Maury.
 

Hier finden Sie weitere Informationen zur Fahrerunterstützung und Fahrerentwicklung.
 

* International Road Transport Union. Befragte Länder: Vereinigte Staaten, Mexiko, Argentinien, Europa (Spanien, Italien, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Deutschland, Polen, Rumänien, Belgien, Niederlande), Eurasien (Russland, Usbekistan, Ukraine), Türkei, Iran, China
 

** Befragte aus 16 Nationalitäten: Portugal, Spanien, Frankreich, Deutschland, Belgien, Niederlande, Schweden, Dänemark, Polen, Tschechische Republik, Slowenien, Litauen, Estland, Rumänien, Bulgarien, Ungarn.

*** Interne Online-Studie von Volvo Research mit 517 Lkw-Fahrern in Frankreich, Deutschland und England.