Trucks

Anna Wrige Berling
2023-03-02
Sicherheit
Author
Anna Wrige Berling
Traffic and Product Safety Director at Volvo Trucks

Warum der heutige Stadtverkehr für Lkw-Fahrer eine grössere Herausforderung darstellt

Lkw-Fahrer sehen sich auf unseren stark befahrenen Strassen mit einer wachsenden Zahl von Sicherheitsrisiken konfrontiert. Warum ist dies so und wie lässt sich die Sicherheit von Lkw in unseren wachsenden Städten gewährleisten?
 

Es besteht kein Zweifel daran, dass unsere Städte in exponentiellem Tempo wachsen. Nach Angaben der UNO lebten 2018 55 % der Weltbevölkerung in städtischen Gebieten, ein Anteil, der bis 2050 auf 68 % steigen soll. In vielen Städten hat sich die Strasseninfrastruktur nicht im gleichen Tempo entwickelt, was zu mehr Staus und schwierigen Fahrbedingungen für Lkw-Fahrer und die immer vielfältiger werdende Mischung von Verkehrsteilnehmern auf der ganzen Welt führt.
 

Auch wenn derzeit wenig über die Auswirkungen von Elektrorollern auf Verkehrsunfälle bekannt ist, hat ihre jüngste Verbreitung der steigenden Zahl von Fussgängern und Radfahrern im Strassenverkehr eine weitere Dimension hinzugefügt. Auch das Bewusstsein für den toten Winkel bei Lkw ist bei diesen gefährdeten Verkehrsteilnehmern oft nicht vorhanden.
 

Smartphones können für alle Verkehrsteilnehmer eine grosse Ablenkung darstellen und die Situation verschlimmern. Laut der National Highway Traffic Safety Administration, ist Ablenkung beim Fahren zu einer bedeutenden Ursache für Fahrzeugunfälle in den USA geworden, wobei ein Grossteil der Ablenkung im Strassenverkehr auf das Schreiben von Kurznachrichten während der Fahrt zurückzuführen ist. Häufig sieht man auch Fussgänger – und sogar Radfahrer –, die beim Gehen und Fahren Musik hören oder ihr Smartphone verwenden und dabei ihre Umgebung nur bedingt wahrnehmen. Studien zeigen, dass fast ein Fünftel (17 %) aller Fussgänger, die eine Strasse überqueren, nicht auf den Verkehr achten, weil sie ihr Smartphone benutzen (Sicherheitsbericht von Volvo Trucks von 2017).
 

Zunahme des E-Commerce und die Auswirkungen auf Lkw-Lieferungen

Die Zunahme des E-Commerce stellt die Lkw-Fahrer vor weitere Sicherheitsherausforderungen. Dazu gehören die Notwendigkeit, schnellere Lieferzeiten einzuhalten, und der Mangel an geeigneten Parkplätzen, um die Lieferungen an immer mehr städtischen Standorten sicher durchführen zu können. Eine Jahresumfrage des American Transportation Research Institute zeigt, wie der E-Commerce-Boom das Problem der Lkw-Parkplätze in den Städten verschärft hat.
 

„Lkw-Fahrer sind heute in den Städten täglich mit schwierigen Fahrbedingungen konfrontiert: in vielen Fällen gibt es enge Fristen, um die Arbeit zu erledigen, eine schwierige Strasseninfrastruktur, um das Fahrzeug sicher zu manövrieren, sowie die Notwendigkeit, auf die vielen Risiken von Zusammenstössen auf unseren überfüllten Stadtstrassen zu achten“, sagt Anna Wrige Berling, Leiterin der Verkehrs- und Produktsicherheit bei Volvo Trucks.
 

Die Sicherheit von Lkw in den Städten erfährt die notwendige Anerkennung

Mit der zunehmenden Urbanisierung und einer grösseren Vielfalt an Verkehrsteilnehmern, die den Strassenraum für sich beanspruchen, steht die Sicherheit im Strassenverkehr ganz oben auf der Agenda vieler Stadtpolitiker. Die Tatsache, dass junge Verkehrsteilnehmer besonders gefährdet sind – nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die häufigste Todesursache im Strassenverkehr bei den 5- bis 29-Jährigen –, hat auch die Notwendigkeit der verbesserten Sicherheit im Stadtstrassenverkehr erhöht.
 

Eines der grössten Probleme für Lkw-Fahrer ist die Sichtbarkeit, insbesondere wenn es um schwächere Verkehrsteilnehmer geht. In London sind Lkw überproportional häufig in tödliche Zusammenstösse mit schwächeren Verkehrsteilnehmern verwickelt. Obwohl Lkw nur vier Prozent der insgesamt in der Hauptstadt gefahrenen Kilometer ausmachen, waren schwere Fahrzeuge zwischen 2015 und 2017 in 63 Prozent der tödlichen Zusammenstösse mit Radfahrern und 25 Prozent mit Fussgängern verwickelt (Transport for London). Aus diesem Grund gibt es in London jetzt einen Direct Vision Standard, der darauf basiert, wie viel ein Fahrer direkt durch seine Fahrerhausfenster sehen kann. Lkw müssen den erforderlichen Standards entsprechen, um in das Stadtzentrum einfahren zu dürfen.
 

Für Europa tritt im Jahr 2024 auch die Allgemeine Sicherheitsverordnung der EU in Kraft. Neben anderen Anforderungen müssen alle Lkw im Rahmen dieser Verordnung in Europa mit aktiver Sicherheitstechnik ausgestattet sein, die den Fahrer informiert, wenn sich ein gefährdeter Verkehrsteilnehmer im Risikobereich an der Front, der Seite oder am Heck des Fahrzeugs befindet. Die Anforderungen des Direct Vision Standard werden im Jahr 2029 folgen. Um die Direktsichtanforderungen zu erfüllen, wird das Fahrerhausdesign, das für alle Märkte gilt, geändert werden müssen.
 

Darüber hinaus sind zusätzliche 360-Grad-Kamerasysteme – vier Kameras auf jeder Seite des Lkw, um einen vollständigen Überblick über die Umgebung des Fahrzeugs zu erhalten – inzwischen günstiger und in Ländern mit geringeren Einkommen leichter erhältlich. In Ländern mit höherem Einkommen sind sie bereits in vielen städtischen Lkw zu finden.

„Lkw-Fahrer sind in den Städten mit schwierigen Fahrbedingungen konfrontiert: enge Fristen, schwierige Strasseninfrastruktur sowie die Notwendigkeit, auf die vielen Risiken von Zusammenstössen auf unseren überfüllten Stadtstrassen zu achten.“

Auf dem Weg zu Null-Emissionen und einem ganzheitlicheren Ansatz bei der Sicherheit im städtischen Strassenverkehr

Das langfristige Ziel der EU ist, bis zum Jahr 2050 auf europäischen Strassen die sogenannte „Vision Zero“ zu erreichen.
 

Die Vereinten Nationen haben sich ebenfalls ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, indem bis zum Jahr 2030 eine Reduzierung der weltweiten Zahl der Verkehrstoten und -verletzten um 50 % erfolgen soll.
 

Matts-Åke Belin, weltweiter Leiter der WHO-Initiative „Decade of Action for Road Safety“ sagt dazu: „Die Folgen von Lkw-Unfällen sind aufgrund des Gewichts und der Grösse der Fahrzeuge fast immer schwerwiegend. Die Sicherheit von Lkw ist daher ein wichtiger Bestandteil dieses globalen Ziels.“
 

Die WHO ruft auch dazu auf, mehr zu Fuss zu gehen und Rad zu fahren, um die Umweltbelastung zu verringern und die Gesundheit zu verbessern. Um dies zu erreichen, muss Sicherheit laut Belin bei der Stadtentwicklung und der Organisation des Verkehrs stärker einbezogen werden.
 

„In der Vergangenheit stellte die Sicherheit eine zusätzliche Anforderung dar und Unfälle wurden in der Regel auf menschliches Versagen zurückgeführt. Heute wissen wir, dass wir menschliches Versagen einplanen und einen systematischeren Ansatz bei der Verkehrssicherheit verfolgen müssen. Dazu gehört auch, dass wir bei der Planung von Strassen auf Sicherheit achten und die uns zur Verfügung stehenden innovativen Technologien nutzen, um Lkw-Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer zu unterstützen.

Anpassungen bei Lkw für mehr Sicherheit im Stadtverkehr

Heutzutage machen bereits Sicherheitsgurte, automatisierte Getriebe und neuerdings auch automatische Notbremsungen, Spurhalteassistenten und Kollisionsvermeidungstechnologien sowie Kameras für den toten Winkel das Fahren von Lkw in Städten sicherer. Die Situation hat sich verbessert – in den letzten Jahrzehnten zeigen die Statistiken in den USA und der EU, dass die tödlichen Unfälle mit schweren Fahrzeugen deutlich zurückgegangen sind, obwohl die Gesamtzahl der Lkw gestiegen ist.
 

Sehr bald können Fahrer auch mit der Umsetzung der nächsten Schritte rechnen – eine Gesetzgebung, die sicherstellt, dass die neuesten Fortschritte bei den aktiven Sicherheitssystemen von Lkw durchgesetzt werden.
 

„Es liegt auf der Hand, dass das Fahren von Lkw in unseren Städten bezüglich der Sicherheit immer schwieriger wird. Aber mit Vision Zero ganz oben auf der Agenda werden Lkw-Fahrer eine umfassendere, obligatorische Sicherheitsunterstützung erhalten, nicht nur durch verbesserte direkte und indirekte Sicht, sondern auch durch intelligente Warnsysteme, die den Fahrer bei Kollisionsgefahr alarmieren. Bei der Strassenverkehrssicherheit geht es jedoch nicht nur um Gesetze. Es geht auch um eine gemeinschaftliche Denkweise, bei der Behörden, Verkehrsteilnehmer und die Industrie zusammenarbeiten müssen, um die Zahl der Verkehrstoten zu reduzieren und den Weg zu Null-Emissionen zu ebnen“, so Anna Wrige Berling.

Lesen Sie mehr über die Sicherheitsziele der EU und der Vereinten Nationen oder informieren Sie sich über die kommenden allgemeinen Sicherheitsvorschriften (GSR, General Safety Regulations). Ausserdem finden Sie hier weitere Informationen über die Sicherheitsziele von Volvo Trucks und aktuelle Funktionen.