Trucks

Lars Mårtensson
2023-05-29
Nachhaltigkeit Alternative Kraftstoffe Elektromobilität
Author
Lars Mårtensson
Environment and Innovation Director at Volvo Trucks

Wege in eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe für Lkw

Es steht ausser Frage, dass die Transportbranche ihre CO2-Bilanz verbessern und auf den Einsatz fossiler Brennstoffe möglichst verzichten muss. Hierfür sind jedoch zunächst die folgenden zwei wichtigen Fragen zu beantworten: Welche Alternative ist die beste für Schwerlastfahrzeuge und welche nachhaltigen Optionen sind bereits heute verfügbar?

Derzeit stehen mehrere Technologien zur Auswahl, darunter die Batteriezelle und die Wasserstoff-Brennstoffzelle sowie erneuerbare Kraftstoffe, wie etwa hydriertes Pflanzenöl (HVO) und Bio-LNG. Jede dieser Technologien hat ihre ganz eigenen Vorteile und Einschränkungen, wenn es um Entwicklung, Infrastruktur, Kosten und die Umweltbelastung während des Lebenszyklus geht.
 

Maria Grahn, ausserordentliche Professorin an der Chalmers University of Technology, beschäftigt sich bei ihrer Arbeit intensiv mit den Bereichen „Energiesystemanalyse“ und „Erforschung zukünftiger Kraftstoffe für den Transport“. „Unser Ziel ist es, die verschiedenen Optionen besser zu verstehen, in der Hoffnung, dass wir Regierungen und politische Entscheidungsträgern dabei unterstützen können, die beste Alternative für sie zu finden“, erklärt Maria. „Es gibt eine Menge verschiedene Szenarien und Fragen, die noch beantwortet werden müssen. Unter den aktuellen Umständen lassen sich jedoch klare Trends und Tendenzen hin zu bestimmten Kraftstoffarten erkennen.“


Im Rahmen ihrer Arbeit hat Maria dazu beigetragen, zukünftige Kraftstoffe und Trends zu modellieren, um Prognosen darüber machen zu können, welche Kraftstoffe mit der höchsten Wahrscheinlichkeit für verschiedene Transportarten zum Einsatz kommen werden, darunter Schifffahrt, Luftfahrt und Personenkraftwagen. Wenn es um schwere Nutzfahrzeuge geht, bewegt sich die Branche in eine klare Richtung.


„Zumindest in Europa, wenn die Vorschriften im Endeffekt beinahe die gesamten CO2-Auspuffemissionen verbieten, gibt es in der Praxis nur zwei Möglichkeiten: die Batteriezelle und Wasserstoff. Wenn wir den zukünftigen Kraftstoffmix für Schwerlastfahrzeuge modellieren, erkennen wir, dass diese beiden Möglichkeiten vermutlich die dominanten Kraftstoffe der Zukunft sein werden.“


Liegt die Zukunft elektrischer Lkw in der Batteriezelle oder der Wasserstoff-Brennstoffzelle?

Die kurze Antwort lautet: In beiden Technologien! Welche dieser zwei Optionen für eine bestimmte Situation jedoch am besten geeignet ist, hängt aller Wahrscheinlichkeit nach von mehreren Faktoren ab, so etwa vom Gewicht und der Grösse des Fahrzeugs, von der zurückgelegten Strecke, von der Verfügbarkeit von Kraftstoff und von der Zugänglichkeit zur entsprechenden Tankstelleninfrastruktur.


„Die grösste Herausforderung liegt in der Infrastruktur, insbesondere beim Wasserstoff, da dieser schwer zu transportieren ist“, sagt Maria. „Ausserdem stellt sich die Frage, woher der ganze Strom kommen soll. Nicht nur für all die Elektrofahrzeuge, sondern auch für die Produktion der benötigten Menge an Wasserstoff. Abgesehen vom Transportwesen werden in Zukunft vermutlich noch in weiteren Branchen grosse Mengen an Wasserstoff benötigt werden, unter anderem in der Stahl- und Chemieproduktion. Um diesen Bedarf zu decken, müssen wir als Gesellschaft viel günstigen Strom erzeugen, der überdies aus erneuerbaren Quellen stammen muss.“

 

Generell gilt: Je kürzer die Entfernung, desto einfacher wird es mit den heutigen Technologien, batterie-elektrische Lkw zu nutzen, da diese lediglich über eine begrenzte Reichweite verfügen und somit Ladestationen erforderlich sind und Zeit zum Aufladen eingeplant werden muss. Über grössere Entfernungen, bei denen der Zugang zu einer entsprechenden Ladeinfrastruktur eingeschränkt ist, werden vermutlich Wasserstoff-Brennstoffzellen eine zukünftige Option sein, da die Reichweiten grösser und die Betankungszeiten deutlich kürzer sind. Lkw mit Wasserstoffantrieb gehören jedoch noch immer der Zukunft an. Batterie-elektrische Lkw sind bereits verfügbar und könnten schon heute dazu beitragen, einen Grossteil der Güter innerhalb Europas ohne Kohlenstoffemissionen zu transportieren.

Noch ist der Verbrennungsmotor nicht tot

Da batterie-elektrische Schwerlastfahrzeuge relativ neu auf dem Markt sind und sich Wasserstoff-Brennstoffzellen nach wie vor in der Entwicklungsphase befinden, kann man davon ausgehen, dass herkömmliche Verbrennungsmotoren in näherer Zukunft noch nicht gänzlich von der Bildfläche verschwinden werden. In der Tat könnte es sogar in einer Welt ohne fossile Kraftstoffe noch einen Platz für Verbrennungsmotoren geben, die dann jedoch mit alternativen Kraftstoffe betrieben würden – und zwar nicht nur mit Biogas, sondern auch mit Wasserstoff und E-Fuels.


„E-Fuels werden aus einer Verbindung von Wasserstoff und Kohlenstoff hergestellt. So lässt sich nahezu jeder gewünschte Kraftstofftyp herstellen“, erklärt Maria. „Der Hauptvorteil besteht darin, dass viele E-Fuels für die gleichen Motoren und Betankungsinfrastrukturen geeignet sind wie herkömmliche Kraftstoffe.“ Unsere Modellierung zeigt, dass solche Kraftstoffe vermutlich in der Schiff- und Luftfahrt Verwendung finden werden. Und auch für einige der anspruchsvolleren Strasseneinsätze, die mit Batteriezellen- oder Brennstoffzellentechnologie nicht bewältigt werden können, könnten E-Fuels oder Wasserstoff die Antwort sein.“

Für jedes Unternehmen, dessen täglicher Geschäftsbetrieb sich innerhalb eines Radius von weniger als 300 Kilometern abspielt, stellt ein elektrischer Lkw bereits heute eine praktikable Option dar, die ohne fossile Kraftstoffe auskommt.

Welche Alternativen, die ohne fossile Kraftstoffe auskommen, gibt es schon heute?

Auch wenn es den Anschein hat, dass die meisten potenziellen Lösungen ohne fossile Kraftstoffe auf Technologien basieren, die sich noch in der Entwicklung befinden, sind mit Biogas betriebene Fernverkehrs-Lkw und batterie-elektrische Lkw für den Verteiler- und Regionalverkehr bereits heute auf dem Markt.


„Für jedes Unternehmen, dessen täglicher Geschäftsbetrieb sich innerhalb eines Radius von weniger als 300 Kilometern abspielt, stellt ein elektrischer Lkw bereits heute eine praktikable Option dar, die ohne fossile Kraftstoffe auskommt“, sagt Lars Mårtensson, Direktor Umweltschutz und Innovation bei Volvo Trucks. „Diese Aussage basiert auf einer Batterieaufladung über Nacht. Wenn es jedoch möglich ist, einen vollständigen Ladevorgang in den Fahrplan des Lkw zu integrieren – was immer einfacher möglich sein wird, je weiter die öffentliche Ladeinfrastruktur ausgebaut wird –, wird die Reichweite des Lkw noch grösser sein.“


Der aktuelle Stand bei erneuerbaren Kraftstoffen – egal ob Biodiesel, HVO oder Bio-LNG – ist von Markt zu Markt unterschiedlich. So lässt sich beispielsweise beim Verbrauch von Biodiesel in Frankreich eine Zunahme beobachten. Unternehmen wie Shell steigern die Produktion und Herstellung von Bio-LNG und machen diesen Kraftstoff für Lkw-Fahrer zugänglicher, während gleichzeitig in ganz Europa das LNG-Tankstellennetz rasant ausgebaut wird. Der finnische HVO-Hersteller Neste vergrössert derzeit seine Anlage in Singapur, die dann nach Abschluss der Massnahmen die grösste der Welt sein wird. Allerdings dürfte in jedem Fall die Verfügbarkeit von Rohstoffen für die Produktion ein limitierender Faktor sein.


Was die Wasserstoff-Brennstoffzelle betrifft, so hat Volvo Trucks in 2022 erste Tests abgeschlossen und wird in einigen Jahren damit beginnen, Praxistests mit Kundenfahrzeugen durchzuführen. Ziel ist es, in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts ein kommerzielles Angebot am Start zu haben.


„Wir erleben derzeit, dass mehrere Lösungen gleichzeitig entwickelt werden, weil viele Leute in der Transportbranche erkannt haben, dass es kein Allheilmittel für sämtliche Herausforderungen des Klimawandels geben wird“, sagt Lars. „Man darf dabei aber nicht vergessen, dass sich diese Technologien gegenseitig ergänzen und nicht miteinander konkurrieren werden.“ Wenn Sie also eine Abkehr von fossilen Kraftstoffen anstreben, sollten Sie nicht erst abwarten, welche dieser Technologie sich eventuell durchsetzen wird. Stattdessen können Sie schon jetzt damit beginnen, die laufenden Entwicklungen zu beobachten und die in Ihrem lokalen Markt verfügbaren Optionen genauer in Augenschein zu nehmen. Die Lösung, die Sie zur Reduzierung der CO2-Emissionen suchen, ist vermutlich bereits verfügbar.“


Wenn Sie mehr von Maria Grahn hören möchten, können Sie sich einen Kurzfilm ansehen, in dem sie ihre Sichtweise zu einer Transportbranche ohne fossile Kraftstoffe schildert.